"WA-"
Altair hatte recht. Malik konnte hier nicht mitten in der Nacht rumschreien wie ein Irrer. Er atmete tief durch und folgte dem anderen dann.
Als er ihn eingeholt hatte, verpasste er ihm noch einen Klaps auf den Hinterkopf.
"Sowas muss ich mir von einem wie dir nicht sagen lassen. Was Maria so erzählt, bekommst du sicher nie eine ab."
Angesäuert trottete schweigend neben Altair her, sich wirklich zusammenreißend, nicht wieder auszurasten.
Er sollte wirklich mal üben, sein Temperament im Zaum so halten...

"Hey!"
Vermutlich hatte er diesen Schlag verdient, trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, seinen Unmut zu äußern, auch wenn er dabei grinste.
"Lass mich bloß mit der in Ruhe", murrte er missmutig und sein Grinsen verschwand aus dem Gesicht, "ich hab echt die Schnauze voll von Weibern..."

Diesmal wurde Malik hellhörig. Er hatte Altair von anfang an abgeschrieben, einerseits, weil er ein verdammter Nerd war, der selbst seine Konsolen mit in die Uni bringt, andererseits, weil er ein riesiges, arrogantes Arschloch war, aber hauptsächlich, weil er recht schnell gewusst hatte, dass Maria seine Ex ist und er dachte, Altair wäre hetero und einfach nur ein Idiot, der gerne andere Leute belästigte.
"Achso...?", fragte Malik beinahe beiläufig, so, als würde es ihn nicht interessieren. Aber eigentlich würde er wirklich gerne wissen, was hinter dieser Aussage steckte.
"Erst mal das Single-leben genießen, Beziehung aller Art ganz abschreiben, oder... Umsatteln?" Malik war ein wenig stolz auf sich selbst, da er es wirklich geschafft hatte, so zu klingen, als wäre er extrem gelangweilt und würde nur aus höflichkeit fragen.

Nach einer Weile sah er sich um. Er war sich fast 100 Prozent sicher, dass Altair ihm einen falschen Weg entlang führte. Nur wusste er nicht, ob es war, um ihn zu ärgern, oder, um das alles in die Länge zu ziehen...

Altaïr sah Malik verstohlen aus dem Augenwinkel an. Er wusste nicht, ob Malik es wirklich interessierte oder ob er nur so tat und es gefiel ihm nicht, dass er das nicht einschätzen konnte.
"Keine Ahnung", erwiderte er zunächst und starrte auf das Straßenschild vor ihm. Mist, sie waren an der letzten Biegung falsch abgebogen. Er hoffte Malik würde nicht merken, wenn sie etwas länger brauchten und ging weiter, als wären sie auf dem absolut richtigen Weg.
"Auf jedenfall mal Abstand von Frauen", griff Altaïr die Frage erneut auf, "Single will ich nicht umbedingt sein, vorallem wenn sich was nettes findet..."
Erneut huschte sein Blick zu Malik. Definitiv hatte er etwas gefunden. Er musste ein klein wenig grinsen.
"Ich leg mich da auch nicht fest...", ob das als Andeutung reichen würde? Musste, dachte sich Altaïr, konkreter wollte er für den Moment nicht werden.

Malik nickte nur, wollte dieses Gespräch ungern fortführen. An der Uni wusste bisher niemand darüber bescheid, dass er schwul war und er wollte es noch ein bisschen für sich behalten. Selbst Maria hatte noch keine Ahnung. Aber er musste es ihr früher oder später sagen, so wie sie ihn mittlerweile anbaggerte... Er hatte an seiner Schule, damals, als er weiter im Süden gewohnt hatte, schon genug Probleme deswegen gehabt, weil er sich öffentlich geoutet hatte und wollte es dieses mal niemandem auf die Nase binden.
Stattdessen entschied er sich, abrupt das Thema zu wechseln.
"Sag mal... Kommt es mir nur so vor, oder laufen wir gerade Richtung Uni-Bibliothek...?"
Er spähte mit einem Seitenblick auf Altair, nur um zu sehen, dass Altair ihn beobachtete, was ihn etwas stutzig machte. Aber er wollte sich keineswegs so früh schon Hoffnungen machen. Vor allem nicht bei so einem selbstzentriertem, arroganten Arsch wie Altair einer war...

"Blödsinn, wie kommst du denn darauf?", Altaïr blickte hastig in die andere Richtung und versuchte desinteressiert zu klingen.
"Siehst du das Gebäude dort vorne? Wenn wir da um die Ecke gehen, sind wir fast vor deiner Haustür"
Er schnaubte pikiert. "Glaubst du etwa, ich weiß nicht, wo ich lang muss?"
Wieso konnte er sich nicht mal normal mit Malik unterhalten, sondern musste sofort auf seine herablassende Schiene springen. Altaïr verfluchte sich ein wenig.

Missmutig verzog Malik wieder seine Mundwinkel. Mit dem konnte man auch wirklich kein Normales Gespräch führen, der hatte echt Probleme...
"Ist ja gut, kam mir nur so vor, als wäre ich hier schon ganz oft vorbeigelaufen..."
Entnervt erdrehte Malik die Augen. Er musste wohl immer recht haben, was? Wie er sowas hasste, wenn Menschen keine Fehler eingestehen konnten und weiterhin auf ihr Recht pochten obwohl sie selbst wussten, dass sie im Unrecht waren...

Schweigend zog Altaïr den inzwischen doch sehr schwer wirkenden Kadar weiter. Weshalb musste er eigentlich Maliks Bruder tragen, schließlich war es nicht sein Bruder. Er war nicht untrainiert aber er war es wirklich nicht gewohnt, viel mehr als sein eigenes Gewicht zu stemmen.
Er war überglücklich, als die Fassaden der Universität in sein Blickfeld kamen.
"Bitte, gern geschehen", mit diesen Worten drückte er Malik seinen Bruder wieder in die Arme. Er wollte lieber nicht wissen, wie spät es war. Vielleicht sollte er einfach im Laden schlafen, seine Motivation jetzt noch fast eine Stunde heim zu laufen war nicht besonders groß. Er fuhr sich bei den Gedanken abwesend durch die Haare und seufzte. Die Busse fuhren bestimmt auch nicht mehr. Großßartig. So hatte er das nicht geplant, er würde Umar eine SMS schreiben müssen, damit dieser nicht vor Sorge starb.

Malik nahm Altair seinen Bruder ab. Er fühlte sich ein wenig schlecht. Altair hatte wegen ihm die Arbeit liegen lassen, was er sicher nicht hätte tun dürfen, ihm den Weg zum Pub gezeigt, seinen Bruder getragen, und ihn zurück geführt, klar, er war wieder arrogant und selbstzentriert gewesen, aber Malik hätte ihn nicht gleich zu anfahren müssen, nur weil er wütend auf seinen kleinen Bruder war. Er beobachtete, wie Altair ruhelos von einem Fuß auf den anderen wippte und auf seine Uhr und dann sein Handy blickte. Malik biss sich unbemerkt und wegen Schuldgefühlen auf die Unterlippe.
Er wollte sich erkenntlich zeigen, jedoch nicht zu freunlich wirken.
"Ich denke, ich schulde dir was, dass du den kleinen Quälgeist hier den ganzen Weg nach Hause getragen hast. Wo hast du gesagt, wohnst du noch gleich? Ich kann mich nämlich nicht erinnern, deinen Namen am Klingelschild über dem Laden gesehen zu haben. Wenn du willst, kannst die Nacht bei mir bleiben, das Sofa im Wohnzimmer ist noch frei."
Malik knirschte innerlich mit den Zähnen bei dem Vorschlag. Er hasste es, freunlich und schwach zu wirken. Denn wenn Menschen merkten, dass du schwach und zu freunlich bist, nutzten sie dich aus. Ohne Ausnahme. Das war eins der wenigsten Dinge gewesen, die er von seinem Vater beigebracht bekommen hatte und er wusste, dass er damit immer Recht gehabt hatte.

Verdutzt drehte Altaïr sich zu Malik um. Er musste sich verhört haben, Malik konnte ihn gerade nicht wirklich zu sich eingeladen haben.
"Echt jetzt? Wow... ich mein... wow. Ähm. Danke? Aber ... ich weiß nicht, ich hab meine Sachen nicht dabei und der Laden und...", er war mehr als verwirrt, wieso Malik ihm das so aus heiterem Himmel anbot. Aber es wäre um einiges angenehmer und bequemer als auf der Sitzbank im Laden zu schlafen oder erst noch heim zu laufen. "... und... nein, mein Weg ist garnicht so weit, ich, ich wohn doch neben dem Nordpark, das ist okay, es fährt auch bestimmt noch etwas..." , redete er weiter und wollte sich selbst den Mund verbieten. War es so schwer, ein Angebot anzunehmen und sich darüber zu freuen, das Malik so freundlich zu ihm war? "Es macht doch bestimmt Umstände."

Malik zog eine Augenbraue hoch.
"DU machst deutlich weniger Umstände als der hier." Er nickte mit dem Kopf in Kadars Richtung.
"Außerdem schulde ich dir was und ich hab keine Lust darauf, dass du am Ende noch rumerzählst, ich würde offene Schulden nicht begleichen. Ich biete es dir noch ein letztes Mal an. Wenn du nicht annimst, selbst schuld."
Ein bisschen nervte es Malik ja schon, dass er sich wirklich bemühte, irgendwie mit Altair auszukommen und er immerwieder ausreden suchte, um ihm wieder ein schlag ins Gesicht zu verpassen.
"Okder hast du ein Problem damit, bei mir in der Wohnung zu schlafen? Keine Sorge, dir macht schon keiner was. Wobei ich natürlich nicht für Kadar garantieren kann..."

"Ich...", seufzend fuhr er sich abermals durch die Haare.
"Aber nur, wenn das wirklich okay für dich ist", willigte Altaïr mehr oder minder ein.
"Lass mich dir mal unter die Arme greifen, so kannst du die Tür ja nicht aufmachen."
Mit wenigen Schritten stand er wieder neben Malik und nahm ihn den, wie Altaïr vermutete, inzwischen schlafenden Kadar ab.
Er gab es auf, sich gegn Maliks Angebot zu sträuben auch wenn es ihm recht schwer fiel. Ein großer Teil von ihm wollte ja doch bei Malik übernachten und er vermutete, dass er nicht gerade bald wieder die Möglichkeit dazu hatte.

Malik nuschelte ein verschluckted 'danke' als Altair ihm seinen Bruder wieder abnahm, schloss die Tür auf und fuhr mit den anderen Beiden den Aufzug nach oben. In der Wohnung nahm er Altair seinen kleinen Bruder wieder ab, verfrachtete ihn in sein Bett (Kadar war selbst Schuld, dass er noch die alten, nach Alkohol und anderen Dingen stinkenden Klamotten noch anhatte.) und kam wieder heraus zu Altair. Aber nur um auch wieder ohne ein Wort, in sein Zimmer zu verschwinden.
Als er das nächste Mal ins Wohnzimmer kam, hatte er ein kleines Kissen und eine dünne Decke unter den Armen.
"Hier. Ich weck dich morgen ganz sicher nicht. Wenn du zu spät zu deinen Vorlesungen oder sonst wo hinkommst, selbst Schuld.
Achja... Was ich dir vielleicht noch sagen sollte... Du schläfst nicht ganz alleine hier im Wohnzimmer", sagte er und kniete sich nach unten, um einem kleinen, grau-braun getupften Kätzchen über den Rücken zu streichen.
Malik sagte kein Wort aber seine Miene wurde schlafartig weicher und er lächelte, als er der kleinen, leise miauenden und schnurrenden Katze über den Rücken strich und sie kurz hinter ihrem Ohr kraulte.
"Hoffentlich hast du keine Allergie und erstickst nich an ihr!" Fügte Malik noch hämisch grinsed hinzu und ging dann wieder richtung Flur.

"Nacht"
Damit verschwand er aus dem Raum und in sein Zimmer.

Sprachlos starrte er auf die kleine Fellkugel, die schnurrend um seine Beine strich.
"Na zum Glück nicht...", murmelte er und bückte sich.
"Hey... lass uns ein Abkommen schließen, du tust mir nichts und ich tu dir nichts." Vorsichtig hielt er dem Kätzchen seine Hand hin. Diese schnupperte daran und sprang dann schnell hinter das Sofa, hinter welchem es dann hervorlugte.
"Alles klar. Leg dich einfach nicht auf mein Gesicht oder so...", murmelte er und legte das Kissen und die Decke auf das Sofa. Dann zog er seine Jeans und sein Shirt aus, legte sie ordentlich zusammen auf einen der Stühle und nahm sein Handy mit zum Sofa.
Rasch sah er noch nach, was er morgen eigentlich hatte, stellte fest, dass er nur nachmittags Kurse und stellte seinen Wecker auf 10 Uhr. Das war eine gute Zeit zum aufstehen. Dann hatte er noch Zeit, die Abrechnung zu machen, nach Hause zu laufen und sich etwas frisches zum Anziehen zu holen.
"Gute Nacht Katze..."

In den frühen Morgenstunden wurde Kadar schlagartig wach und rannte, so schnell ihn seine wackeligen und schwachen Beine tragen konnten, richtung Badezimmer, um den Alkohol aus seiner Blutlaufbahn zu befördern.
Nicht wissend, dass sie Besuch hatten, schlurfte er, nachdem er seinen Magen entleert hatte, entkräftet Richtung Küche, Die Kopfschmerztabletten, die er in der Hand hielt, warf er auf den Tisch.
Danach kramte er, ungeschickt und verkatert im Schrank nach einer Tasse, warf dabei im Schrank selbst, ein, zwei Gläser um, die zwar nicht zerpsrangen aber, für ihn, trotzdem zu viel Lärm machten.
"Fuck, halt doch dein Scheißmaul, du Dreckstasse..."
Danach fischte er nach der Kaffekanne, kippte sich kalten Kaffe in seine Tasse und knallte die kanne unsanft auf die theke zurück.
"scheiße, sei doch leise, Malik killt mich..."
Danach lies er sich plump mit dem Hintern auf den Boden fallen und öffnete träge den Kühlschrank.
"Amirah, nicht jetzt, verschwinde..."
Vorsichtig schob er das Kätzchen weg, dass sofort auf seine Beine sprang, als sie sah, dass jemand in der Küche war, der ihr Essen geben konnte. nach kurzem Suchen und rangeln mit der Katze hatte er eine offene Dose eingelegten Hering genommen und war dann mit seinem kalten Kaffee, der Tablette und der Dose ins Wohnzimmer gegangen.
Dort wollte er sich aufs Sofa fallen lassen, ohne natürlich vorher zu sehen, ob es frei war. Warum auch.
Als er merkte, dass dort jemand oder etwas lag, sprang er erschrocken, schreiend wieder hoch und lies seine Tasse fallen, die nun endgültig auf dem Boden zerbrach. Das Kätzchen floh bei dem Lärm hinter das Schützende Sofa und Kadar begann zu fluchen.